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SONNTAG, 6. SEPTEMBER 1970

WITTHÜSER UND WESTRUPP
(Bernd Witthüser - git, voc / Walter Westrupp - git, voc)
JIMI HENDRIX
(Jimi Hendrix - voc, git / Billy Cox - bass / Mitch Mitchell - dr)
EMBRYO
(Hansi Fischer - flute /Christian Burchard - dr /Al Jones - git / Edgar Hofmann - violin / Ralph Fischer - bass)
THRICE MICE
(Wolfgang Buhre - sax / Werner Von Gosen - gui / Wolfram Minnemann - keys / Karl-Heinz Blumenberg - voc / Rainer Von Gosen - bass / Arno Bredehoft - dr)
FLOH DE COLOGNE

TEN YEARS AFTER LIMBUS 4

(Odysseus Artner / Bernd Henninger / Matthia Knieper / Gerd Kraus)

ROTE STEINE (pre-TON STEINE SCHERBEN)
(Rio Reiser - voc,git /Ralph Peter Steitz (R. P. S. Lanrue) - git / Kai Sichtermann - bass / Wolfgang Seidel - dr)

TEN YEARS AFTER (ABGESAGT)

 

(zum Vergrößern auf die Bilder klicken...bei manchen jedenfalls)

Am Sonntag morgen bereiteten sich ca 15.000-20.000 Zuschauer auf den letzten Festivaltag vor. Das Areal vor der Bühne erinnerte an ein Schlachtfeld. Nach dem schweren Regen der letzten Nacht versank die Wiese im Schlamm, Teile der Bühne waren von den Rockern demontiert und als Feuerholz gebraucht worden, genauso wie die meisten Klotüren des nahegelegenen Campingplatzes

Wieder einmal mußte der unvergleichliche Alexis Korner improvisieren. Er schlug vor, daß einige der Zuschauer selbst auf die Bühne kommen und eine Art Happening veranstalten um die Zeit bis zu Jimis Auftritt zu überbrücken. Das geschah auch tatsächlich, war aber leider (?) nur von kurzer Dauer.

Verzweifelt wendeten sich die Veranstalter an das Folk Duo Witthüser und Westrupp, die seit gestern "auf Standby" hinter der Bühne waren. Die beiden spielten schließlich ihr Akkustik Set, und es gelang ihnen erfolgreich, das Warten auf Jimi Hendrix etwas zu überbrücken. Witthüser und Westrupp sind der Legende nach die einzige Gruppe gewesen, die mehrere Zugaben spielten. Festivalveteranen erinnern sich noch heute mit leuchtenden Augen daran, wie es den beiden gelang, daß Hunderte Besucher den Song "Flipper" mitsangen.

Witthüser & Westrupp am Sonntag mittag

Gegen 11:00 kam Jimi Hendrix in einer schwarzen Mercedes Limousine auf dem Festivalgelände an. Er und die Band verschwanden schleunigst in den für sie bestimmten Wohnwagen, gefolgt von einigen Journalisten.

Ankunft von Jimi Hendrix

Auf der Bühne brachten Roadies die Verstärker in Position, aber auch dort gab es immer noch Probleme. Nach ca. 2 weiteren Stunden Wartezeit wurde die Stimmung zunehmend gereizter und einige Zuschauer begannen, Eier auf die Bühne zu werfen.

Sonntag mittag

Um 12:56 war es endlich soweit: Jimi Hendrix betrat die Bühne, und erntete nicht nur gutgemeinten Applaus: zwischen die Freudenschreie mischten sich auch laute Buhrufe, Pfiffe und andere unmissverständliche Botschaften..."Go home!" Jimi hörte das natürlich Er sagte: "Buh, Buh....ich scheiß drauf ob ihr buht oder nicht, solange ihr es in der richtigen Tonart tut, ihr Idioten". Einige Augenblicke entschuldigte er sich jedoch dafür, daß er letzte Nacht nicht mehr spielen konnte: "Tut uns leid, daß wir gestern nicht spielen konnten, aber es war echt unerträglich, Leute!" Kurz darauf begann das Konzert und die Leute vergaßen ihren Frust. Der Himmel riss auf, die Sonne begann wieder zu scheinen, und Jimi spielte ein gutes Konzert. Alle schienen eine gute Zeit zu haben, auch wenn es später bei Red House wieder anfing zu regnen.

(click here to visit the special Jimi Hendrix at Fehmarn section)

Jimi Hendrix
Jimi Hendrix
Jimi Hendrix

"Thank you. Goodbye. Peace!"...sagte Jimi Hendrix am Ende seines 90 minütigen Konzertes. Sofort danach verlässt er Fehmarn in einem Helikopter, der ihn nach Hamburg bringt. Von dort fliegt er nach London. Die meisten der Zuschauer packen ihre Sachen und verlassen ebenfalls das Festival.

Dieses Autogramm gab Jimi Hendrix nach seinem Auftritt dem Fahrer seiner schwarzen Mercedes Limousine...

 

Nach Jimi Hendrix betraten nun die Krautrockpioniere EMBRYO die Bühne. Christian Burchard, Drummer von Embryo, erinnert sich daran, daß die Gruppe von den guten Vibes nach Jimi´s Auftritt profitierte. siehe hier

Nach Embryo hatte die aufstrebende Hamburger Band THRICE MICE das Vergnügen auf einem großen Rockfestival zu spielen. Bei einigen Stücken kam es angeblich sogar zu Jam-Sessions mit Alexis Korner.

Die Hartgesottenen unter den Zuschauern bekamen nun die Polit-Beat Kapelle FLOH DE COLOGNE zu hören. Eine willkommene Abwechslung, und die Gruppe kam gut an.

Es spielte danach die Münchener Gruppe LIMBUS 4.

Im Laufe dieses Nachmittages wurde die Stimmung im Organisationszentrum so bedrohlich, daß die Veranstalter panikartig das Festivalgelände verließen. Veranstalter Helmut Ferdinand: "Am Sonntag nachmittag spitzte sich die aggressive Stimmung derart zu, daß wir Angst um Leib und Leben haben mußten. Christian und Timm (die 2 anderen Veranstalter) hatten das Gelände bereits verlassen, und ich bin dann zu Fuß und per Autostopp zum Hotel nach Puttgarden gekommen. Dort tauchte dann auch zum ersten Mal die Polizei auf und forderte uns auf, zum Festivalgelände zurückzugehen. Ich weigerte mich erst, weil ich wirklich Angst hatte. Sie sicherten uns Polizeischutz zu und zusammen sind wir dann wieder hingefahren. Da war das OZ inzwischen abgebrannt, der Kassenwagen war umgefallen, die Kassen waren aufgebrochen und das Geld war verschwunden. Es war schrecklich."

Was war geschehen? Als (ungeplanterweise) letzte Band des Fehmarn Festivals 1970 hatten schließlich die ROTEN SCHERBEN (Vorgänger von TON STEINE SCHERBEN) die Bühne betreten. Dies war ihr erster Auftritt, und er endete im Chaos. Augenzeugen zufolge, eröffnete Rio Reiser das Konzert mit der Bemerkung "Ey, wir ham hier einen Scheck gefunden über 100000 Mark, den hat Jimi Hendrix hier verloren....", und sorgte damit für erneute Aufruhr bei den unzähligen Helfern, die immer noch nicht bezahlt worden waren. Außerdem soll Reiser das Publikum dazu aufgefordert haben, den Veranstalter „ungespitzt in den Boden zu hauen“. Sowieso war die Stimmung während des Tages wieder kritischer geworden, das Festival neigte sich dem Ende zu, und während des Tages hatten die verbliebenen Rocker mehrere Ultimaten an die Veranstalter gestellt, die allesamt nicht eingehalten worden waren. Bei dem Song "Macht kaputt was Euch kaputt macht" eskalierte die Situation. Die Festivalleitung hatte die Bezahlung der noch verbliebenen Helfer immer wieder verschoben. Von 15:00 Uhr auf 17:00 Uhr, und dann schließlich auf 20:00 Uhr. Doch als irgendwann zwischen 19 und 20 Uhr klar war, daß die Veranstalter geflohen waren, machten die Rocker ihre Drohungen wahr: der Container des OZ brannte daraufhin lichterloh, und sogar Teile der Bühne gingen in Flammen auf, die Scherben flohen von der Bühne, und das Festival war vorbei.
Festivalbesucher Matthias Hölling: "Sie (die Rocker) hatten ihr Geld nicht pünktlich bekommen. Auf die Sekunde genau brannte die Einsatzzentrale. Danach begann ein Katz und Maus Spiel. Die Rocker fuhren mit ihren Motorrädern diagonal übers Gelände und zündelten weiter. Polizei und Feuerwehr jedoch mußten immer außenrum. So war ziemlich schnell klar, daß sich die beiden Parteien nie kriegen würden. Als dann alles rundherum brannte und es an die Bühne ging, kam der Besitzer der Verstärker Anlage ans Mikro und erklärte, er hätte sein Geld auch nicht bekommen und wenn jetzt seine Anlage mit abbrennen würde, das wäre doch ungerecht. Da hatte er Recht und das sahen alle ein. Rocker und Festivalbesucher packten mit an, um seine Orange Lautsprecherboxen vor den Flammen zu retten."

Die eigentlich als letzte Band vorgesehenen TEN YEARS AFTER weigerten sich logischerweise, unter diesen Bedingungen aufzutreten. Es wäre auch gar nicht mehr möglich gewesen, da überhaupt kein Verantwortlicher, sei es ein Stage Manager, Tontechniker oder ähnliches auf dem Gelände verblieben war.

Es gab weiterhin massive Ausschreitungen zwischen Rockern und der Polizei, es soll sogar Schießereien gegeben haben. Es dauert bis nach Mitternacht, bis die Polizei die Situation unter Kontrolle hat.

Helmut Ferdinand: "Wir haben dann im Hotel Dania übernachtet. Fritz Rau und die Musiker von TEN YEARS AFTER haben uns noch zum Essen eingeladen. Am nächsten Morgen sind wir dann zurück nach Kiel."

Einige hundert Fans übernachten noch auf Fehmarn, am Morgen des 10. September wird das Gelände geräumt.
Ironie des Schicksals: das Wetter am 10. September ist wunderschön, strahlender Sonnenschein.

Überbleibsel eines Rockfestivals

 

Das Fehmarn Love & Peace Open Air 1970 ist Geschichte.